Aktualisiert am: 08.03.2024
Kundalini Yoga, oft als „Yoga des Bewusstseins“ bezeichnet, ist eine Form des Yoga, die darauf abzielt, die unterschiedlichen Energiezentren im Körper zu aktivieren. Woher genau kommt Kundalini Yoga, wie wird es geübt und was bewirkt es? Genau das erfährst du in diesem Beitrag.
Definition: Was ist Kundalini Yoga?
Kundalini Yoga rückt die Energiezentren unseres Körpers in den Fokus und verfolgt dabei das Ziel die sogenannten Chakras zu aktivieren und die Kundalini-Energie aufsteigen zu lassen. Die körperliche Praxis wird mit Atemtechniken (Pranayama), Meditation und dem Singen von Mantras kombiniert.
Anders als Yogastile wie Hatha oder Vinyasa Yoga, liegt der Schwerpunkt beim Kundalini Yoga auf der geistigen und spirituellen Arbeit und weniger auf dem körperlichen Aspekt.
Damit ähnelt Kundalini Yoga der traditionellen Form des Yoga, in der es über viele Jahrhunderte nur eine einzige Asana gab, den Meditationssitz.
Entstehung des Kundalini Yogas
Kundalini Yoga hat seine Wurzeln in den alten Lehren des Tantra, die vor über tausend Jahren in Indien entstanden sind. Die mystische Energie der Kundalini ist ein zentraler Bestandteil der spirituellen Entwicklung im Yoga. Kundalini wird oft als eine schlummernde, schlängelnde Kraft am unteren Ende der Wirbelsäule dargestellt, ruhend im Wurzelchakra, dem ersten von sieben Energiezentren unseres Körpers. Diese Kraft in uns repräsentiert das unausgeschöpfte Potenzial, das, wenn es erweckt wird, durch die sieben Chakren aufsteigt und schließlich eine Vereinigung mit der kosmischen Energie anstrebt – ein Zustand, der mit tiefer Seligkeit und Erleuchtung beschrieben wird.
Aus den Tiefen tantrischer Lehren, welche die Aktivierung und Lenkung dieser Energie als Ziel haben, entwickelte sich das Kundalini Yoga zu einem eigenständigen Yogapfad. In der westlichen Welt wurde Kundalini Yoga als Disziplin erst im frühen 20. Jahrhundert bekannt und gewann vor allem durch die Arbeit des Sikh-Yogi Bhajan in den 1970er Jahren an Popularität.
Yogi Bhajan kam inmitten der kulturellen Revolution der Hippiebewegung in die Vereinigten Staaten und bot den jungen Menschen der Zeit eine spirituelle Alternative zum drogeninduzierten Streben nach Bewusstseinserweiterung. Mit der Gründung von 3HO (Happy Healthy Holy Organization) etablierte er ein System von Praktiken, das bis heute die Grundlage für das Ausüben von Kundalini Yoga im Westen darstellt.
Wir möchten an dieser Stelle aber auch nicht unerwähnt lassen, dass Yogi Bhajan, neben seinen Lehren und der Verbreitung von Kundalini Yoga, auch einige Kontroversen hinterließ. Nachdem Anschuldigungen des sexuellen und emotionalen Missbrauchs durch Yogi Bhajan öffentlich wurden, hatte die Dachorganisation Siri Singh Sahib Corporation (SSSC), die alle Besitztümer von Bhajans Nachlass überwacht, im Jahr 2020 eine unabhängige Untersuchung beauftragt. Diese bestätigte Fälle von sexuellem und spirituellen Missbrauchs als sehr wahrscheinlich und zeigte die sektenähnlichen Verhältnisse auf. Dieser Fall dient, wie einige andere, als Mahnung, in der spirituellen Praxis wachsam zu bleiben und Integrität und persönliche Grenzen zu wahren.
Wie übt man Kundalini Yoga?
Wie bereits erwähnt, verfolgt Kundalini Yoga das Ziel, die Energie, die als „Kundalini“ bekannt ist – ein Sanskritbegriff, der oft als „Schlangenkraft“ interpretiert wird, zu erwecken. Diese Kraft wird metaphorisch als eine schlafende Schlange dargestellt, die sich am unteren Ende der Wirbelsäule, im Bereich des Wurzelchakras (Muladhara Chakra), zusammenrollt.
Traditionell gilt, dass diese Energie potenziell durch jede Form spiritueller Erfahrung geweckt werden kann; im Kundalini Yoga jedoch wird die Erweckung auf kontrollierte Weise angestrebt, indem man den Körper und Geist durch spezifische Techniken reinigt und stärkt.
Somit unterscheidet sich Kundalini Yoga in seiner Ausrichtung von anderen Yogastilen, wie zum Beispiel dem Hatha Yoga, indem es sich stärker auf geistige und spirituelle Entfaltung konzentriert. Die körperliche Betätigung, die durch Asanas erzielt wird, ist zwar integraler Bestandteil des Kundalini Yoga, jedoch ist die körperliche Praxis nicht das primäre Ziel. Im Gegensatz zu körperzentrierten Yogastilen, die häufig einem Workout ähneln, besteht Kundalini Yoga aus Kriyas – spezifischen Übungsreihen, die verschiedene Aspekte der traditionellen Yoga-Praxis miteinander verbinden:
- Dynamische Körperübungen: Diese sind darauf ausgelegt, den Energiefluss im Körper zu aktivieren und zu unterstützen.
- Klassische Asanas: Diese Yoga-Posen werden eingesetzt, um sowohl die Flexibilität als auch die innere Stärke zu fördern.
- Atemübungen (Pranayama): Durch kontrollierte Atemtechniken wird das Prana, die Lebensenergie, gesteigert und gelenkt.
- Mantras: Die Verwendung von heiligen Silben oder Phrasen in der Meditation dient dazu, den Geist zu konzentrieren und zu beruhigen.
- Meditation mit Mudras: Bestimmte Handhaltungen, die energetische Siegel oder Gesten darstellen, unterstützen die meditative Praxis.
- Konzentrationspunkte und visuelle Fokuspunkte: Innere Energieverschlüsse (Bandhas) und Fokus auf bestimmte Punkte, wie das dritte Auge zwischen den Augenbrauen, helfen, die geistige Konzentration zu vertiefen.
Obwohl die Kriyas oft auf spezifische physische oder emotionale Wirkungen ausgerichtet sind – beispielsweise auf die Reinigung der Leber oder die Stärkung des Immunsystems – ist das letztendliche Ziel immer die Erweckung der Kundalini-Kraft. Um diese Erweckung zu erreichen, sollen alle sieben Chakren, die jeweils unterschiedliche Aspekte unserer Existenz repräsentieren und mit diversen Lebensenergien verbunden sind, schrittweise geöffnet werden. Die Praxis des Kundalini Yoga ist daher ein Weg der Transformation, der darauf abzielt, das gesamte Sein von Grund auf zu erneuern und zu einem Erwachen der spirituellen Energie zu führen.
Zitat: Für ein authentisches Sein verbinde deine Füße mit der Erde und deinen Kopf mit dem Himmel. – Yogi Bhajan
Für wen ist Kundalini Yoga geeignet
Kundalini Yoga ist besonders ansprechend für diejenigen, die ganz bewusst nach einer spirituelleren Praxis suchen und Freude an Methoden haben, die über die körperliche Praxis hinausgehen. Zusammenfassend eignet sich der Yoga-Stil vor allem für Menschen, die:
- sich nach einer spirituellen Praxis sehnen: Wenn du den Wunsch verspürst, deine innere Lebenskraft (Kundalini) zu erwecken und dich auf eine Reise der Selbstentdeckung zu begeben, bietet Kundalini Yoga die passenden Techniken und Philosophien.
- ein ganzheitliches System wünschen: Im Kundalini Yoga fließen Bewegung, Atem, Gesang und meditative Praktiken zusammen, um Körper, Geist und Seele zu nähren und zu vereinen.
- offen sind für tiefere Meditationserfahrungen: Durch das Singen von Mantras und die Integration von Mudras und Bandhas können Kundalini-Yoga-Praktizierende tiefere Ebenen der Meditation erreichen.
- Interesse an philosophischen Lehren haben: Die Prinzipien des Kundalini Yoga sind tief in der Yoga-Philosophie verwurzelt und ein Interesse daran kann die Praxis und das Verständnis bereichern.
Zudem ist die physische Praxis im Kundalini Yoga oftmals weniger fordernd als in anderen körperzentrierten Yoga-Stilen und daher auch für Menschen mit physischen Einschränkungen oder im fortgeschrittenen Alter zugänglich.
Kundalini Yoga Übungsreihen
Im Kundalini Yoga gibt es verschiedene Übungsreihen, die aus einer festgelegten Abfolge bestehen – die sogenannten Kriyas.
Jede Kriya ist auf ein bestimmtes Ziel ausgelegt. Dabei kann zum Beispiel darum gehen, die Leber zu reinigen, das Immunsystem zu stärken oder das emotionale Gleichgewicht zu fördern.
Diese Kriyas umfassen dynamische Körperübungen, spezifische Asanas, Pranayamas (Atemübungen), Meditationen und den Gebrauch von Mantras.
Sie sind so konzipiert, dass sie auf energetischer Ebene arbeiten, um die Kundalini-Energie sanft zu wecken und durch die Chakren nach oben zu leiten.
Eine der bekanntesten und häufig praktizierten Kriyas im Kundalini Yoga ist die *Sat Kriya*. Sie gilt als eine der grundlegendsten und gleichzeitig mächtigsten Kriyas in dieser Tradition und ist aufgrund ihrer Einfachheit, aber gleichzeitig tiefgreifenden Wirkung auf den Körper, beliebt.
Hier eine kurze Anleitung zur Sat Kriya:
1. Sitzhaltung
Setze dich in die Fersen, so dass deine Knie zusammen sind. Wenn das Sitzen in dieser Haltung unbequem ist, kannst du eine Yogamatte oder Decke unter deine Fersen legen.
2. Armhaltung
Strecke die Arme über den Kopf, so dass die Ellenbogen gestreckt sind und die Handflächen sich berühren. Die Finger sind ineinander verschränkt, bis auf die Zeigefinger, die nach oben zeigen.
3. Mantra und Bewegung
Atme tief ein und beginne dann das Mantra „Sat“ auszusprechen, während du den Nabel kräftig nach innen und oben ziehst. Beim Aussprechen von „Nam“ lässt du den Nabel wieder los. „Sat“ bedeutet Wahrheit, „Nam“ Identität.
4. Rhythmus
Die Bewegung und das Mantra werden in einem schnellen, rhythmischen Tempo wiederholt, wobei das „Sat“ etwa acht Mal pro zehn Sekunden betont wird.
5. Dauer
Anfänger können mit etwa 3 Minuten beginnen und die Praxis dann allmählich auf bis zu 31 Minuten ausdehnen.
6. Abschluss
Zum Beenden der Kriya, atmest du tief ein und hältst den Atem sowie die Muskelkontraktion für einige Sekunden. Dann atmest du aus und entspannst dich. Wiederhole dies ein paar Mal.
7. Entspannung
Lege dich nach der Kriya auf den Rücken und entspanne für mindestens so viele Minuten, wie du die Kriya praktiziert hast.
Gerade wenn man noch keine Erfahrung im Kundalini Yoga hat, empfiehlt es sich, die Sat Kriya unter Anleitung im Rahmen einer Yoga Stunde zu erlernen. So stellt man auch sicher, dass die Ausrichtung und Technik korrekt sind und man die kraftvolle Wirkung vollständig nutzen kann.
Wirkung und Nutzen: Was bringt Kundalini Yoga?
Kundalini Yoga hat auf Praktizierende eine kurzfristige als auch langfristige Wirkung. Gerade für eine langfristige Wirkung ist selbstverständlich eine regelmäßige Praxis entscheidend. Dann wirkt Kundalini Yoga in den folgenden Bereichen:
Stärkung des Nervensystems
Durch die Kombination aus Meditation und Atemtechniken wie Pranayama wird das autonome Nervensystem gestärkt, was zu einer erhöhten Stressresistenz führen kann.
Erhöhung der Lungenkapazität
Regelmäßige Atemübungen trainieren die Lunge, mehr Sauerstoff aufzunehmen und effizienter zu arbeiten, was die allgemeine Vitalität und Energie steigert.
Chakren-Balance
Die spezifischen Übungen zielen darauf ab, Energieblockaden zu lösen und die sieben Hauptchakren zu aktivieren, was zu emotionaler Ausgeglichenheit und spirituellem Wachstum beitragen soll.
Steigerung der Konzentrationsfähigkeit
Meditation und fokussierte Atemtechniken verbessern die mentale Klarheit und die Fähigkeit, sich zu konzentrieren.
Entwicklung der Intuition
Durch die Erweckung der Kundalini und die damit verbundene Erhöhung des Bewusstseinszustandes berichten viele Praktizierende von einer tieferen Intuition und einem verbesserten Zugang zu ihrem inneren Wissen.
Positive Lebenshaltung
Die Einheit von Körper, Geist und Seele im Kundalini Yoga kann zu einer positiveren Einstellung und einer erhöhten Lebensfreude führen.
Persönliche Transformation
Viele erleben durch die spirituelle Praxis persönliche Veränderungen, die zu mehr Selbstakzeptanz und innerem Frieden führen.
Physische Gesundheit
Die dynamischen Körperübungen (Asanas) verbessern Flexibilität und Muskelkraft und unterstützen den Körper bei der Entgiftung.
Risiken des Kundalini Yoga
Kundalini Yoga ist im Grunde weder gefährlich noch birgt es besondere Risiken.
Wie bei jedem anderen Yoga-Stil auch, ist es jedoch wichtig, die Asanas, Atemübungen und andere Methoden behutsam und achtsam auszuführen und währenddessen auf das eigene Körperempfinden zu achten.
Vor allem Anfängern wird empfohlen, Kundalini Yoga unter Anleitung einer erfahrenen Lehrerin oder eines erfahrenen Lehrers zu praktizieren und sich langsam an die kraftvolleren Techniken und Übungen heranzutasten. Denn gerade wenn die Kundalini-Energie im Körper mit intensiven Praktiken unerwartet oder auf unkontrollierte Weise erweckt wird, können eine Reihe von physischen, emotionalen und geistigen Symptomen auftreten, die als Kundalini Syndrom bezeichnet werden und die unter Umständen verstörend oder verwirrend sein können:
- Physische Symptome: Dazu gehören unter anderem unkontrollierbares Zittern, Gefühle von Hitze oder Kälte, körperliche Schwäche, unerklärliche Schmerzen und Energiebewegungen im Körper.
- Emotionale Schwankungen: Starke Emotionen wie Angst, Euphorie, intensive Traurigkeit oder Wut können plötzlich und ohne ersichtlichen Grund auftreten.
- Geistige und spirituelle Krisen: Einige Menschen erleben intensive spirituelle Erweckungserlebnisse, die sowohl beängstigend als auch verwirrend sein können, insbesondere wenn sie ohne angemessenen Kontext oder Unterstützung auftreten.
Hier ist aber wichtig zu betonen, dass das Kundalini-Syndrom kein alltägliches Ereignis ist und nicht jeder, der Kundalini Yoga praktiziert, wird solche Erfahrungen machen.
Fazit
Abschließend lässt sich sagen, dass Kundalini Yoga eine transformative Praxis ist, die das Potenzial hat, das Leben seiner Praktizierenden nachhaltig zu bereichern und zu verändern. Es bietet eine Weg, um Körper, Geist und Seele in Einklang zu bringen und sich auf eine Reise der persönlichen und spirituellen Entfaltung zu begeben.
Es ist jedoch wichtig, dass Kundalini Yoga unter sachkundiger Anleitung praktiziert wird, insbesondere von Anfänger:innen und jenen, die tiefere spirituelle Erfahrungen anstreben. Dies gewährleistet eine sichere und effektive Praxis, um das volle Potenzial dieser kraftvollen Yogatradition zu erschließen.